Lang ersehnt und mit Spannung erwartet: 2014 begeisterte er bei Kultur Rockt mit einer Lesung, vier Jahre nach seinem großen Erfolgsroman „Fast genial“ ist nun der vierte Roman von Bestsellerautor Benedict Wells veröffentlicht. Talkshows meidet Wells, Interviews gibt er äußerst selten. Für uns hat er eine Ausnahme gemacht und exklusiv für das Kultur Rockt Magazin über seinen neuesten Coup, seine Inspirationen, Träume, den Pferdestall und natürlich Fußball gesprochen. Soeben ist Ihr neues Buch erschienen. Es trägt den Titel „Vom Ende der Einsamkeit“.

Wie kam es zu diesem Titel?

Benedict Wells: Zum einen glaube ich, dass Einsamkeit etwas ist, was viele umtreibt. Man spricht nicht gern darüber, aber ich glaube, dieses Gefühl wird von vielen empfunden, zumindest in manchen Momenten. Vor Jahren sprach mich dann ein Journalist darauf an, dass am Ende meiner bisherigen Romane der Protagonist immer einsam ist. Ich war im ersten Moment fast erschrocken, das war mir überhaupt nicht bewusst gewesen.

Und dann sagte ich zu ihm: „Ja, aber bei dem Buch, an dem ich gerade schreibe, wird es anders sein. Da geht es um das Überwinden von Einsamkeit.“ So kam ich auf den Titel.

Was ist „des Pudels Kern“ des Romans?

BW: Es geht um drei Geschwister, die behütet aufwachsen, ehe ihre Eltern bei einem Unglück ums Leben kommen. Das Buch begleitet sie die folgenden Jahrzehnte durchs Leben. Es zeigt, wie sehr sie dieser Schicksalsschlag verändert und wie unterschiedlich sie darauf reagieren. Es geht aber auch sehr um die Frage, was das Unveränderliche in einem Menschen ist. Das, was sich durch solch ein Ereignis eben nicht verändert oder was man sich im Laufe eines Lebens wieder aneignen kann. Vor allem aber ist es eine große Liebesgeschichte.

Wieviel Autobiographie steckt in Ihrem neuen Werk?

BW: Die Themen des Romans, Einsamkeit, Veränderung und Verlust, sind meine Themen, allerdings völlig anders erlebt als im Buch.

2013 sind Sie bei Kultur Rockt im Pferdestall aufgetreten. Wie war das für Sie?

BW: Eine großartige Erfahrung. Beeindruckt hat mich sowohl die Begegnung mit dem Künstler Tobias Hantmann, wie auch mit der Band „Hands up – Excitement!“. Es hat sehr viel Spaß gemacht, zusammen aufzutreten.

Mit dem Festival möchten wir die Interdisziplinarität der Künste veranschaulichen. Inwieweit beeinfl ussen Sie die anderen Künste, also z.B. die Musik?

BW: Musik wie auch Filme beeinfl ussen mich in hohem Maße. Ich höre beim Schreiben zum Beispiel oft bestimmte Playlists, die ich vorher zusammengestellt habe. Und auch Filme können mich inspirieren. Für das neue Buch zum Beispiel „In the Mood for Love“ von Wong Kar-Wai. Der ist sehr kunstvoll geschnitten, dort findet vieles zwischen den einzelnen Szenen statt, im Kopf des Zuschauers. Diese Technik hat mich zum Beispiel sehr interessiert.

Wann dürfen wir Sie wieder bei Kultur Rockt erleben?

BW: Hoff entlich bald. Dieses Jahr bin ich allerdings in China.

Sie haben bereits in den verschiedensten Städten und Ländern gelebt und reisen sehr gern. Was bedeuten Reisen, andere Länder, andere Kulturen für Sie?

BW: Die Welt jedes Mal noch mal neu wahrzunehmen, durch Gespräche, Begegnungen und Erlebnisse. Ich liebe es, andere Kulturen und Länder kennenzulernen, und mit ihnen auch andere Blickwinkel auf das Leben.

Wie kam es zu Ihrer Leidenschaft für das Schreiben?

BW: Ich glaube, ich habe immer gern erzählt, auch mal mit sieben und acht Jahren kleinere Geschichten geschrieben. Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, Schriftsteller werden zu wollen. Dafür war ich im Schulfach Deutsch mit seinen Interpretationen und Analysen zu mittelmäßig. Den Wunsch zu schreiben hatte ich erst, als ich mit fünfzehn „Das Hotel New Hampshire“ von John Irving las. Das Buch hat mich so begeistert, dass ich danach nichts anderes mehr wollte, als auch so etwas zu machen.

Wie radikal zu sich selbst muss man sein, um ein guter Künstler sein zu können?

BW: Ich glaube, sehr radikal. Ich bin ein großer Fan des Films „Whiplash“. Die Art und Weise, wie die Aussage dort dargestellt wird, ist sicher extrem, aber im Kern ist sie wahr: Man muss an einem bestimmten Punkt für die Kunst leiden und bereit sein, ein paar Dinge zu opfern. Ich persönlich giere nach Kritik, manchmal verbiete ich den Leuten auch, mich zu loben, will nur wissen, was ich noch verbessern kann. Ich bin kein Genie, ich brauche dieses harte Feedback im Schreibprozess, es darf ruhig wehtun. Denn ich glaube, in der Kunst ist es nicht leicht, durch Talent hervorzustechen, dafür gibt es einfach zu viele talentierte Künstler. Für mich ist eher der Wille, an sich zu arbeiten der Bereich, wo man den Unterschied machen kann.

Wie politisch möchten Sie mit Ihrer Kunst sein? Ist Kunst automatisch immer in irgendeiner Weise politisch, indem sie in einen Dialog zur Öff entlichkeit tritt?

BW: Nein, das glaube ich nicht, auf jeden Fall nicht automatisch. Und bis jetzt spielt Politik keine große Rolle in meinen Geschichten. In „Fast genial“ schwingt sicher ein wenig Kritik mit, aber eher am Rande. Zurzeit sind mir einfach die Geschichten und die Figuren wichtiger. Aber vielleicht ändert sich das auch noch mal.

Was ist ein Traum von Ihnen?

BW: Wenn ich diese Chinareise nach Jahren des vergeblichen Planens diesmal mache und mit der Transsibirischen Eisenbahn dorthin fahre, das wäre ein echter Traum.

Sie sind auch fußballbegeistert. Was sagen Sie zu Peps Weggang von den Bayern?

BW: Schade, als Trainer ist er für mich ein Genie, vielleicht der beste der Welt. Leider hatte er es schwer nach dem Triple, als alles andere als die Wiederholung davon eine Enttäuschung war. Auch glaube ich, dass viele Medien gegen ihn arbeiten und manipulierende Artikel schreiben. Das hat die Lage sicher nicht verbessert, er wurde nie wirklich verstanden. Dennoch bleibt ein Hauch von Enttäuschung zurück, wenn er jetzt nach Vertragsende ausgerechnet zu Manchester City geht. Sein Verhältnis zu Bayern wirkt wie eine erkaltete Beziehung, bei der am Ende beide Seiten sagen: „Leider hat es nie wirklich gefunkt.“ Ein ähnliches Gefühl, wie als Ballack – damals klar der beste Bayernspieler – zu Chelsea ging.

 

Mit Benedict Wells sprach Matthias Berghoff.