Im exklusiven Interview für KULTUR ROCKT spricht der Sänger und Songschreiber über seinen schnellen Weg an die Chartspitze, die Herausforderungen eines frisch gebackenen Familienvaters, den Eurovision Song Contest in Lissabon und natürlich über seine große Leidenschaft, die Musik.

Deine Übersingle „You Let Me Walk Alone“ hat Dir nicht nur den sensationellen vierten Platz beim Eurovision Song Contest in Lissabon im letzten Jahr eingebracht, vielmehr zählt sie mit über neun Millionen You-Tube-Aufrufen aktuell zu den erfolgreichsten deutschen Hits überhaupt. Hast Du mit solch einem Riesenerfolg beim Schreiben dieses Songs gerechnet?

Nein, überhaupt nicht. Damit kann man nicht rechnen, denn man weiß nie genau, wie ein Song ankommt. Beim Publikum und ob er zum Beispiel von den Radiosendern gespielt wird. Für Künstler ist es immer etwas ganz Besonderes, den eigenen Song im Radio zu hören. Wenn ich einen Song schreibe, möchte ich natürlich, dass er Bestand hat, dass er bleibt. Gerade in der heutigen schnelllebigen Zeit ist das nicht leicht.

Für viele Menschen ist „You Let Me Walk Alone“ ihr Song geworden, den sie mit etwas in ihrem eigenen Leben verbinden.

Es ist ein schönes Gefühl, wenn man mit einem Song Menschen so berühren kann. Daher bin ich sehr froh und dankbar, dass mir das mit „You Let Me Walk Alone“ gelungen ist.

„You Let Me Walk Alone“ ist ein sehr emotionaler Song. Du hast ihn Deinem verstorbenen Vater gewidmet. Was bedeutet dieser Song für Dich persönlich, hilft er Dir, die Trauer des Verlustes zu verarbeiten?

Ja, der Song ist für mich auch deshalb sehr wichtig und hilft mir, mit dem Verlust meines Vaters besser klarzukommen. Mit meinen Songs verarbeite ich Sachen. Das ist ein Grund dafür, dass alle meine Lieder äußerst persönlich sind.

Welche Gefühle bewegen dich als Künstler zum Schaffensprozess, was sind Auslöser beim Schreiben? Führt nur der Schmerz des Künstlers zu guter Kunst?

Nicht unbedingt. Für mich sind es auch schöne Emotionen wie Liebe und Freude, die Quellen von Inspiration und Kreativität sind.

Nach Deiner Rückkehr aus Lissabon ging es fulminant weiter: u.a. Bambi-Publikumspreis, Goldene Schallplatte in den Niederlanden, Live-Auftritt beim großen ZDF-Jahresrückblick „Menschen 2018“ und ausverkaufte Konzerte auf Deiner „Dreamer Tour 2019“. Wo soll es noch hingehen?

(Überlegt.) Ich habe das Glück, genau das tun zu können, was ich schon immer machen wollte: Musik. So kann es weitergehen, ich genieße das im Moment sehr. Die Mischung aus Live-Konzerten, Songschreiben, Auftritten im Fernsehen und Radio, Songpate bei „Mein Song“, all das bereitet mir sehr viel Freude. Die Musik ist einfach meine absolute Leidenschaft. Zudem arbeite ich im Moment intensiv an meinem neuen Album, das im Herbst dieses Jahres erscheinen soll.

Bei KULTUR ROCKT geht es um die verschiedensten Künste, von Musik (Rock/Pop bis Klassik) über Literatur und Schauspiel bis hin zur bildenden Kunst. Gibt es neben der Musik ein Kunstgenre, wofür Dein Herz schlägt?

Ich liebe Filme! Um eine richtige Leseratte zu sein, bin ich leider etwas zu ungeduldig. Ansonsten bin ich eher der sportliche Typ. Fußball ist genau mein Ding. Früher habe ich selbst sehr viel Fußball gespielt, doch heute fehlt mir häufig die Zeit dazu. Hinzu kommt, dass ich auf Tour ständig unterwegs bin, daher bin ich auf Joggen und Fitness ausgewichen, das man mal schnell zwischendurch oder im Hotelzimmer machen kann.

Und hörst Du auch klassische Musik?

Ich höre gern Werke von Ludovico Einaudi, wenn man ihn denn zur klassischen Musik zählen kann.

Wie läuft bei Dir der Prozess des Songschreibens ab?

Meistens entstehen erste Akkorde auf dem Klavier. Oder ich jamme auf meiner Gitarre. Dann entwickele ich die Melodie, bevor ich den Text dazu schreibe.

Kommen Songideen bei Dir auch schon mal in den kuriosesten Momenten. Z.B. im Traum?

Ja, auf jeden Fall. Manchmal fällt mir etwas im Halbschlaf ein. Wenn ich aufwache denke ich: „Das ist eine geniale Idee, die muss ich sofort festhalten.“ Doch in der Regel ist das Resultat enttäuschend. Bei wachem Verstand muss ich dann feststellen: „Schade, so toll war das gar nicht.“ Und so verwerfe ich dann häufig diese Fragmente wieder. Die richtig guten Ideen entstehen bei meinen Sessions im Verlauf des Tages. Ganz plötzlich sind sie auf einmal da.

Wodurch lässt Du Dich inspirieren?

Am meisten durch persönliche Geschichten. Aus dem Leben, aus meinem persönlich Umfeld. Reisen ist für mich essentiell, da es den Horizont erweitert. Ich brauche das, um den Kopf frei zu bekommen.

Du giltst als ein hervorragender Live-Künstler. Dein Konzert eröffnet das diesjährige KULTUR-ROCKT-Festival. Können wir uns auf ein musikalisches Feuerwerk einstellen?

(Lacht.) Es wird eine bunte Mischung aus vielen verschiedenen Songarten. Von langsamen Balladen bis hin zu Uptempo-Songs, die Lust auf Tanzen machen und so richtig aufdrehen. Einige werden sicher auch überrascht sein, die mich als den eher ruhigen Musiker kennen. Ihr könnt Euch auf ein breites musikalisches Spektrum freuen. Lasst Euch überraschen!

In den vergangen zwei Jahren haben Max Giesinger und Nicos Santos den Pferdestall gerockt. Was gibt es nur bei Schulte-Konzerten?

Ich bin ein authentischer Typ. Meine eigenen Songs geben immer auch etwas von mir persönlich preis. Die Verbindung zum Publikum, sich von meinen Geschichten mitreißen zu lassen. Und die Vielfalt!

Deine aktuelle Single „Back to the Start“ greift die Unbeschwertheit, wie sie vor allem Kinder haben, auf. Wie unbeschwert kannst Du noch nach den ganzen Erfolgen sein?

Es ist nicht so einfach, dem ganzen Druck standzuhalten. Immer erreichbar und präsent zu sein, immer zu denken, dies oder jenes muss ich noch erledigen. Und dann noch auf Social Media aktiv zu sein. Bei alledem schaffe ich es selten, einfach mal abzuschalten. Der Song soll nicht als Moralpredigt daherkommen oder belehrend sein, vielmehr geht die Botschaft auch an mich selbst: Öfter den Moment genießen und auskosten, völlig losgelöst und befreit.

Ein weiteres Charakteristikum von KULTUR ROCKT ist die intime Atmosphäre zwischen Künstlern und Publikum. Was reizt Dich mehr, große Arenen oder kleinere Clubkonzerte?

Beides hat seinen ganz speziellen Reiz, und beides mag ich. Bei kleineren Konzerten hat man die direktere und intimere Verbindung zum Publikum. Das ist ein schönes Gefühl, wenn man in die Augen des Publikums blicken kann und direkt Rückmeldung bekommt, wie es auf einen Song reagiert. Selbst mit 100 Leuten kann die Konzertstimmung fantastisch sein. Vor 5.000 Fans zu spielen ist anders, jedoch nicht weniger spannend. Es ist einfach toll, wenn ein ganzes Stadion Deine Lieder mitsingt und tanzt.

Wie bist Du zur Musik gekommen?

Irgendwie war Musik schon immer in mir. Obwohl ich gar nicht aus einer Musikerfamilie stamme. Mit sieben hatte ich meine erste Gitarre. Von klein an habe ich gern Musik gehört und gesungen. Einfach drauflos.

Wenn circa zwei Wochen vor dem Festival die Pferde für die Bühne Platz machen, erobern die Künste den Raum. Unternehmen wir in Deutschland genug, um speziell allen Kindern einen möglichst breiten Zugang zu den Künsten zu ermöglichen?

Ich hoffe, dass Kindern Kultur und die Künste in der Schule und im Elternhaus ausreichend nähergebracht werden. Wir können damit Werte vermitteln und das Zusammenleben vielfältig und harmonisch gestalten. Künstler können und sollten ihre Reichweite und Bekanntheit nutzen, um ihre Stimme zu erheben.

Bist Du ein politischer Mensch?

(Nachdenklich.) Obwohl ich mich nicht sonderlich politisch engagiere, bin ich politisch sehr interessiert. Ich will wissen, was um mich herum passiert. Innerhalb Deutschland und international. Mir ist es wichtig, informiert zu sein. Insbesondere, wenn man zu irgendetwas seine Meinung kundtut. Das sollte schon fundiert sein, ansonsten finde ich es besser zu schweigen. Wenn ich zu einer Sache stehe, dann ist es wohl überlegt.

Wie reagierst Du auf Kommentare in den sozialen Netzwerken wie Instagram und Facebook? Liest Du die überhaupt alle?

Alle zu lesen, ist nicht möglich, dafür sind es einfach zu viele. Doch versuche ich, mir möglichst viele Kommentare anzuschauen. Ich möchte erfahren, wie beispielsweise auf einen neuen Song von mir reagiert wird, wenn ich den poste.

Aber nicht immer sind solche Kommentare wohl überlegt, manchmal können sie beleidigend sein oder sogar richtig verletzend.

Stimmt, solche gibt es leider hin und wieder. Die ignoriere ich dann lieber. Man darf den Verfassern von solchen Zeilen keine Aufmerksamkeit schenken. Denn genau das wollen sie erreichen. Wenn es ganz verrückt ist, kann ich mir oft ein Schmunzeln nicht verkneifen.

2018 bist Du erstmals Vater geworden. Hat sich Dein Leben dadurch grundlegend verändert?

(Lacht.) Total! So ein Ereignis verändert die Lebenssituation vollkommen. Der Kleine steht natürlich jetzt ebenfalls im Fokus. Und viele Eltern können das sicher nachvollziehen: Plötzlich bekommt man viel zu wenig Schlaf, auf Reisen muss man gleich so unendlich viel mehr dabei haben. Es ist aber unbeschreiblich schön, die Entwicklung des Kindes zu sehen, das Lachen, jede einzelne Bewegung.

Was ist ein sehnlicher Wunsch von Dir?

Viel, was ich mir erträumt und gewünscht habe, ist bereits wahr geworden. Ich bin sehr glücklich, dass ich das erreichen konnte.

Und jetzt bin ich einfach gespannt, was noch alles kommt.

Vielen Dank für das Gespräch, Michael.

Das Interview mit Michael Schulte führte Matthias Berghoff. Foto: Sarah Kaiser.