Sie haben sich erst im letzten Jahr über gemeinsame Freunde in London kennengelernt – und spielen im Juni bereits ihr erstes gemeinsames Konzert: Starpianist Alexander Krichel und Cellist Timothée Botbol. „Wir haben zwar noch nie miteinander gespielt, hatten aber letztes Jahr eine sehr schöne Zeit, als wir uns das erste Mal trafen“, berichtet der Schweizer Botbol. Der Auftritt bei Kultur Rockt ist also eine absolute Weltpremiere. Einen Tag zuvor präsentiert Echopreisträger Alexander Krichel in einem Solokonzert Auszüge aus seinem von Kritikern gefeierten Ravel-Album „Miroirs“.

Die Zuschauer können sich also auf ein außergewöhnliches Programm der beiden Ausnahme-Musiker freuen.Es wird einen abwechslungsreichen Mix von Zusammenspiel und Soloparts geben. Ich denke, es wird für die Zuhörer auch eine kleine Reise durch die Geschichte werden“, freut sich Krichel bereits auf den Auftritt. Timothée Botbol wird solo u.a. etwas aus einer der bekanntesten Bach-Suiten spielen. Die Auswahl der Stücke stellt für ihn dabei ein durchaus schwieriges Unterfangen dar, da es wenig Material für Cello-Solisten gibt – ganz anders als für die Violine zum Beispiel. „Deshalb muss man alles clever auswählen. Lassen Sie sich überraschen“, kündigt er an.

Ganz besonderer „Sitznachbar“

Der Cellist fliegt aus London direkt mit einem ganz besonderen „Sitznachbarn“ ein – seinem Instrument: Bei uns Cellisten ist das so, dass wir eigentlich immer einen Extra-Platz für unser Instrument buchen müssen. Es gibt leider kaum eine Möglichkeit, es auf anderem Wege sicher zu transportieren“, erklärt der Wahl-Brite. Das sei immer ein äußerst komplizierter Vorgang. Sein Cello „sitzt“ also quasi neben ihm. Bei der Auswahl seiner Celli hat er großes Glück: Er durfte zuletzt nämlich immer auf sehr hochwertigen italienischen Instrumenten spielen, das aktuelle ist aus dem 19. Jahrhundert. „Natürlich nur geliehen – es ist einfach sehr wertvoll“, erzählt Botbol mit einem Lächeln. Das Leihen hat aber auch einen kleinen Nachteil: Der Cellist kann sich nicht so gut an sein Instrument gewöhnen, wenn er es nach kurzer Zeit wieder wechseln muss. Sein absolutes Traum-Instrument ist ein Stradivari-Cello. „Italienische Instrumente sind generell mein absoluter Favorit“, erklärt er mit einem Strahlen.

London kann auch zu überwältigend sein

Als Wahl-Londoner erleben beide Musiker den täglichen British Way of Life – mit allen Vorzügen und Nachteilen. „London ist so dynamisch, voller Energie“, schwärmt Botbol. Sein ganzes Heimatland ist fast so groß wie gesamt London. Nach zwei Jahren habe der Schweizer gerade mal geschätzte fünf Prozent der Stadt gesehen. Manchmal seien die ganzen Eindrücke auch zu überwältigend – dann fühle er sich sehr klein. „Ich liebe es aber trotzdem“, meint Botbol. Während  Botbol also aus London anreist, hat Alexander Krichel hingegen gerade erst seinen Erstwohnsitz zurück nach Hamburg gelegt, behält aber eine kleine Wohnung in London. „London ist voll von Menschen mit vielen Träumen. Ich habe auch die oft negativen Vibes nie gemocht, dieses ständige running after money“, reflektiert der gebürtige Hamburger. Außerdem wollte er den Brexit „so nicht mitmachen“. Auf lange Sicht sei Deutschland die Zukunft, ist Krichel sich sicher.

Aus dem Pferdestall in die großen Orchesterhäuser

Für Timothée Botbols großes Ziel, einmal mit einem bedeutenden Orchester aufzutreten, sei es aber richtig gewesen, nach London zu gehen. Durch viele Kontakte vor Ort kann er diesem Traum so immer ein Stückchen näherkommen. Auch ein Klassik-Star wie Alexander Krichel, der zuletzt bei einem Solo-Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie brillierte, möchte noch mit vielen Orchestern spielen. „Man darf sich in diesem Streben aber nicht selbst verlieren“, erklärt er. Die Branche sei sehr kommerziell geworden, sodass es auch durchaus schwer war, den Produzenten das Ravel-Thema seiner neuen CD inhaltlich zu vermitteln. Die sich überschlagenden Kritiken in der Presse geben ihm nun aber Recht. Denn das ist Krichels eigentliches Ziel: Projekte wie solche zu verwirklichen. „Das liegt mir einfach am Herzen – ohne den Kommerz im Hinterkopf haben zu müssen“, so der 28-Jährige.

Simon Philipp Engels