Foto: Stefan Klüter

Die in Stuttgart geborene Schauspielerin begann bereits im Alter von sieben Jahren mit Hörspielrollen und stand mit 14 das erste Mal auf der Theaterbühne. Ihr Filmdebüt gab sie 1996 in dem Drama „Und keiner weint mir nach“ von Joseph Vilsmaier. Heute zählt Nina Hoss zur ersten Liga der deutschen Schauspielkunst mit nationalen und internationalen Film- und Theaterrollen sowie einer beeindruckenden Liste von Auszeichnungen.

In u.a. „Das Mädchen Rosemarie“, „Toter Mann“, „Wolfsburg“, „Nackt“, „Die weiße Massai“, „Yella“, „Barbara“, „Homeland“ und zuletzt in „Return to Montauk“ war sie auf großer Leinwand zu sehen.

Frau Hoss, Sie waren Teil der Wettbewerbsjury der 73. Filmfestspiele von Venedig. Sind deutsche Produktionen auf internationalem Parkett konkurrenzfähig?

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Bei Kultur Rockt erlebt man die verschiedensten Kunst-Genres, von Musik über Literatur bis hin zu Schauspiel und bildender Kunst. Auch Sie engagieren sich interdisziplinär, u.a. haben Sie eine Ausstellung in Berlin kuratiert und zusammen mit der Band„Manic Street Preachers“ einen Song aufgenommen. Was reizt Sie an der Verschmelzung der Künste besonders?

Ich bin einfach neugierig, denke ich. Bei meiner Arbeit bin ich ja auch immer von anderen Künsten umgeben. Sei es in der Recherche für ein Stück oder einen Film oder auch während des Drehens zum Beispiel. Da inspiriert mich ein Stück Musik oder ein Gemälde, ein Buch etc. Und deshalb habe ich auch keine großen Berührungsängste, in die anderen Fächer hineinzuschnuppern. Im Gegenteil, es erweitert meinen Horizont und bereichert mich ungemein. Gerade auch die Begegnung mit den anderen Künstlern.

International sind Sie ebenfalls eine gesetzte Größe. So waren Sie beispielsweise an der Seite von Philip Seymour Hoffmann, Robin Wright und Willem Dafoe mit dem Film „A Most Wanted Man“, bei dem Anton Corbijn Regie führte, im Kino zu sehen. Oder in der US-Hitserie „Homeland“. Erleben Sie kulturelle Unterschiede, wenn Sie bei internationalen Projekten mitwirken im Vergleich zu deutschen Produktionen?

Wenn ich ehrlich bin, ist der Unterschied gar nicht so groß. Die Arbeit ist dieselbe. Wie man probiert, wie man sich die Szenen erarbeitet. Der größte Unterschied ist das Budget und vielleicht auch die hohe Form der Professionalität, die eingefordert wird. Das aber mit einer guten Portion Humor und Leichtigkeit. Das hat mich vielleicht am meisten beeindruckt. Die Eigenverantwortung ist größer, und das liegt mir.

Global gedacht: Mit wem möchten Sie unbedingt mal zusammen einen Film drehen?

Oh, da gibt es viele. Mit den Safdie Brüdern, deren Film Good Time mich sehr berührt hat. Und für eine Komödie würde ich gerne mal mit Judd Apatow zusammenarbeiten.

Die Welt scheint zur Zeit politisch sehr in Aufruhr zu sein. In Deutschland gibt es ähnlich alarmierende Anzeichen. So hat z.B. eine Gruppe Einzug in das Parlament in Berlin gehalten, die versucht, mit Parolen voller Hass und Ressentiments Stimmung zu machen gegen Vielfalt, die Werte des Grundgesetzes und gegen die Demokratie. Können und sollten die Künste (u.a. die Schauspielerei) dem etwas entgegensetzen?

Wir dürfen alle nicht sprachlos sein. Ich würde das gar nicht auf die Künste beschränken wollen. Vor allem müssen wir dem Hass, der geschürt wird und der Angst vor dem Fremden etwas Positives entgegensetzen. Wir Schauspieler sind Geschichtenerzähler. Dadurch kann man im besten Falle, ohne groß erklären zu müssen, Verständnis für andere Lebensumstände schaffen. Und oftmals auch sehen, dass egal wo wir herkommen, wir uns alle in unseren Sehnsüchten, Problemen, unserer Freude, unserem Umgang mit Schicksalsschlägen etc ähnlich sind.

Abgesehen davon versuche ich, außerhalb der Arbeit eine engagierte Bürgerin zu sein, die sich nicht scheut, ihre Meinung zu sagen. Das Wichtigste ist, dass wir alle die hart erkämpfte Freiheit nicht aufs Spiel setzen und uns im Umgang miteinander wieder besinnen und offen bleiben statt zu verhärten.

In „Barbara“ von Christian Petzold haben Sie auch bereits mit unserem Jurymitglied Jannik Schümann (Er war der Mario.) gespielt. Wie war die Zusammenarbeit?

Ich habe eine sehr gute Erinnerung an ihn. Er war unheimlich wach und hatte etwas sehr feines im Spiel, was mir sehr gefallen hat.

Eine weitere Leidenschaft von Ihnen ist das Theater: U.a. spielen Sie an der Schaubühne Berlin ganz aktuell in „Rückkehr nach Reims“ von Thomas Ostermeier. Was kann das Theater, was der Film nicht kann?

Erst einmal ist da diese direkte Verbindung zum Publikum. Jeder Abend ist anders, weil auch das Publikum ein anderes ist. Das kann ich beim Film nicht erleben. Dazu kommt, dass es etwas ganz besonderes ist, auf die Bühne zu treten und für circa zwei Stunden Dir diese Welt gehört, Du deine Figur an der Hand nehmen kannst, ohne dass jemand dazwischen redet und Du mit ihr immer wieder ein neues Erlebnis hast. Vielleicht ist es wirklich dieses gemeinsame Erleben im Theaterraum, unten und oben, was für mich den größten Reiz ausmacht. Abgesehen davon , dass Du Teil eines Ensembles bist, mit dem Du die Geschichte erarbeitet hast und Du nicht erst wenn es drauf ankommt zusammen kommst, wie beim Filmset, wo die Arbeit doch eher eine einsame ist, bis es ans wirkliche Drehen geht. Das hat aber auch wieder seinen ganz besonderen Reiz. 😉

Was ist ein Lebenstraum von Ihnen?

Einmal die Nordwestpassage zu durchqueren!

Was zeichnet die private Nina Hoss aus?

Ich kann gut zuhören.

Nina Hoss, wir bedanken uns für das Interview.